Das kleine
Euromitgliedsland Finnland liegt im Norden und das etwas größere
Euromitgliedsland Griechenland liegt im Süden. Doch was die beiden Länder
unterscheidet ist nicht nur die Geographie, sondern die politische Kultur und
die ökonomische Stärke; und beides hängt offenbar eng miteinander zusammen.
Finnland in der Rezession
Finnland galt
lange als ökonomisches Musterland, doch auch das Musterland hat inzwischen
Probleme. Steigende Schulden und Arbeitslosigkeit werfen einen Schatten auf das
Erfolgsmodell Finnland. Das Wachstum der letzten Jahre war durch eine expansive
Finanzpolitik erkauft worden. Im Jahr 2008 hatte sich Finnland für ein
Investitionsprogramm von 20 Milliarden Euro entschieden. Die Wirtschaftswoche
berichtet im Sommer letzten Jahres: „Das teuer erkaufte Wachstum ist längst
verpufft, Reformen wurden aufgeschoben, nur die Schulden sind noch da und
nähren sich selbst.“ Die Staatsverschuldung hat sich seit 2008 von 54 auf 94
Milliarden Euro erhöht und erreicht jetzt die Schwelle von 60 Prozent des BIP.
Finnland verliert damit seinen Status als positiver Sonderfall der Eurozone.
Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit auf fast 10 Prozent gestiegen.
Finnlands strukturelle Krise
Die Schwäche
Finnlands ist durchaus strukturell begründet. Die Wirtschaftswoche stellte
fest: „Zu den ungünstigen Rahmenbedingungen kommt eine fundamentale Schwäche
der finnischen Wirtschaft selbst. Jahrelang hat der Erfolg Nokias den Blick auf
Finnland dabei ein wenig verklärt. Denn jenseits des innovativen Konzerns, der
zeitweise für zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich war, gab es
nie viele wachstumsstarke Konzerne in dem Land.“ Gleichzeitig verdunkeln die
EU-Sanktionen gegen Russland die mittelfristige Perspektive. Die finnische und
die russische Wirtschaft sind auf vielfache Weise verflochten, und Finnland ist
auf russische Energieimporte angewiesen.
Der finnische Wähler hat sich für
Austerität entschieden
Interessant ist
aber, wie anders die finnischen Wähler und das politische System Finnlands auf
die Krise reagieren. Im Falle
Griechenlands führte Verschuldung in der Vergangenheit zu noch höherer
Verschuldung, die Wirtschaftskrise verstärkte den Ruf nach dem starken Staat
und Hilfen von den anderen Euroländern. Aus Protest gegen die
Austeritätspolitik haben die Griechischen Wähler ein linksradikales Bündnis an
die Macht gewählt, das Beamte wieder einstellen, Renten erhöhen und
Reformprogramme zurückfahren will und darauf setzt, dass am Ende das Ausland
doch für die griechischen Schulden aufkommen wird. Die Finnen haben am letzten
Sonntag hingegen eine konservative Regierung
abgewählt, aber keineswegs durch eine linke Regierung ersetzt, die mehr
Staat und Umverteilung fordert. Wahlsieger
ist ein politischer Newcomer, der IT-Unternehmer Juha Sipilä, der Kürzungen
von Stellen im öffentlichen Dienst und Wirtschaftsreformen versprochen hat.
Finnland hat für mehr Austeritätspolitik gestimmt!
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Timo Pillovaara @flickr |
Finnland hatte mit Reformen schon einmal Erfolg
Das zeigt,
welche Bedeutung historische Erfahrungen haben, denn es ist nicht das erste
Mal, dass die Finnen sich durch eine konsequente Sanierungspolitik aus einer
Krise herausgearbeitet haben. Anfang der neunziger Jahre, nach dem Ende des
Kalten Krieges, war Finnland auch mit einer heftigen Rezession konfrontiert.
Eine Bankenkrise erschütterte das Land, die Wirtschaftsleistung ging um 10
Prozent zurück, und die Gesamtverschuldung stieg von 14 auf 58 Prozent des BIP
im Jahr 1994. Von dieser schwierigen Ausgangslage aus erreichte Finnland vier
Jahre später sogar Haushaltsüberschüsse von 3,7 Prozent und konnte so die
Verschuldungsquote bis 2008 auf 34
Prozent des BIP zurückführen. Den Finnen ist also schon einmal gelungen, woran
andere Staaten gescheitert sind. Wahrscheinlich hat diese Erfahrung sie dazu
ermutigt, diesen Weg ein weiteres Mal zu gehen.
Reformen sind
also nicht nur eine Antwort auf aktuelle Herausforderungen, sie verändern im
Fall ihres Gelingens auch die politische Kultur und schaffen eine kollektive
Erfahrung, die zu anderen Reaktionen auf wirtschaftliche Krisen führt. Anders
als das politische System in Griechenland hat Finnland gelernt, sich selbst aus
eigener Kraft zu helfen.
Gérard Bökenkamp
ist Referent für Grundsatz und Forschung im Liberalen Institut der
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
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