Christian
Kirchner, Kuratoriumsmitglied und Freund von Open Europe Berlin, angemessen zu
würdigen, fällt mir auch heute noch schwer (hier mein erster Versuch gestern Abend).
Ich
möchte deshalb aus der Laudatio von Dr. Karen Horn zitieren, anlässlich der
Verleihung der Hayek-Medaille der F.A. von Hayek Gesellschaft letztes Jahr (den ganzen Text finden Sie hier).
„Christian
Kirchner ist in Potsdam geboren; die Familie stammt ursprünglich aus dem Hessischen; aufgewachsen aber ist er in Augsburg. Nach dem Abitur absolvierte
er erst einmal eine Banklehre, bevor er dann in Tübingen, Frankfurt, in
Harvard und am M.I.T. Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre studierte.
Dem Abschluss als Master in Legibus (LL.M.) in Harvard folgte die juristische
Promotion, eine Lehrtätigkeit im Fach Wirtschaftsrecht sowie das Studium
der japanischen Sprache und Kultur an der Universität Frankfurt. Dann sprang
irgendwie auch noch eine ökonomische Promotion heraus. Aufenthalte als
Gastforscher und Lehrstuhlvertreter überbrückten die Habilitationsphase, die ihm
ansonsten wohl langweilig geworden wäre; 1984 erging die Berufung auf den
ersten Lehrstuhl am Fachbereich Rechtswissenschaften in Hannover. 1993 wechselte
Kirchner nach Berlin und wurde dort halbwegs sesshaft. Halbwegs – denn immer
wieder reiste er als Gastprofessor und Berater ins Ausland – nach Japan,
Vietnam, Korea, China, Amerika, Brasilien, Israel und so weiter; ich kann sie
unmöglich alle im Detail aufzählen. Eine Dauereinrichtung wurde die
Lehrtätigkeit an der Universität Sankt Gallen im Rahmen des dortigen
Master-Programms in Law and Economics. Die Schweizer verliehen ihm im Mai 2010
auch die Ehrendoktorwürde.
Kurz
nach seiner Emeritierung im vergangenen Frühjahr, die allerdings wie im Falle
seines Kollegen und Sparringspartners Beat Blankart nicht etwa mit einer
Beendigung seiner Lehrtätigkeit einherging, berief das renommierte
Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik Christian Kirchner in seinen Vorstand. Nun
hat er also nicht nur ein Büro in der Kommode Unter den Linden, sondern auch
noch eines am Pariser Platz, am Brandenburger Tor.
Bei
Kirchner erschlägt einen im positiven Sinne aber nicht nur die Menge, sondern
auch die Vielfalt seines Tuns allein schon in der Form, wie sie in der Bezeichnung
seines früheren Lehrstuhls an der Humboldt-Universität zu Berlin zu Tage
tritt. Er war dort bis zur Emeritierung im vergangenen Jahr Inhaber des Lehrstuhls
für „Deutsches, Europäisches und Internationales Zivil- und Wirtschaftsrecht
und Institutionenökonomik“ an der Juristischen Fakultät und an der
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. In der Zeitung füllt allein das schon
gut und gerne mehr als drei Zeilen. Und inhaltlich sind das eigentlich sieben
Lehrstühle in einem. Die damit einhergehende thematische Fülle macht sich
natürlich in Kirchners Publikationen bemerkbar, in den wissenschaftlichen
ebenso wie in den vielen kraftvollen und glasklaren publizistischen Aufsätzen,
die sich an die breitere Öffentlichkeit richten.
Wissenschaftlich
ist Christian Kirchner vor allem und naheliegenderweise ein Pionier der Law and
Economics, also der ökonomischen Analyse oder Theorie des Rechts – einer beide
Disziplinen verzahnenden Forschungsrichtung, die mit Methoden der modernen Wirtschaftswissenschaften zur Beantwortung rechtlicher Fragestellungen sowohl
auf der Ebene der Normsetzung als auch auf der Ebene der Normanwendung
beitragen soll. Bisher ist Law and Economics vor allem für Ökonomen ein
beliebtes Feld, die Juristen tun sich damit noch etwas schwer – aber Kirchner
dürfte als inspirierender, mit seiner Begeisterung ansteckender akademischer
Lehrer auch daran etwas geändert haben.
Im
einzelnen reichen seine Themen vom Wettbewerbs- und Kartellrecht, der
sektorspezifischen Regulierung insbesondere in Netzindustrien wie der Bahn,
aber auch der Finanzmärkte, dem Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, dem
Konzernrecht und dem Bilanzrecht bis hin zur Corporate Governance und der
Wirtschaftsethik.
[...]
Allen
Schriften Christian Kirchners ist eigen, dass sie eine grundsätzliche
Betrachtung, die auch in den seriösen Feuilletons der Republik ihren Platz
hätte, falls es die noch gibt, mit einer knallharten, knochentrockenen, wenn
nötig auch ziemlich technischen Sachanalyse verbindet – und aus alle dem ergibt
sich am Ende ein klares, seriöses Urteil. Da ist in dem einen Satz noch von
Ethik und katholischer Soziallehre die Rede und auf der nächsten Seite schon
von internationalem Informationsaustausch der Steuerbehörden, von hybriden
Konzernstrukturen, Trennbankensystem und kalter Sozialisierung.
Bei
Kirchner muss man nicht lange suchen nach unerbittlichen Schlussfolgerungen wie
der, dass die EZB jenseits der Legalität gehandelt hat, indem sie im Winter
2012 anfing, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Oder dass die
Rettungsschirme für Griechenland eine Fehlkonstruktion darstellen und zum
Scheitern verurteilt sind. Oder dass, ich zitiere, „gesellschaftliche
Ordnungen, die das Prädikat ,freiheitlich’ verdienen sollen, (nicht) versuchen,
ihre Bürger zu erziehen, sondern sich sanktionsbewehrter Regelungen bedienen (Institutionen).“ Es ist diese analytische wie ordnungspolitische Klarheit, die
wir an Ihnen bewundern, lieber Herr Kirchner, und für die wir Sie heute
auszeichnen möchten. Wir lernen immer wieder viel und gern von Ihnen und
hoffen, dass Sie uns – wie auch die breite Öffentlichkeit – noch lange mit
Ihren Einsichten beschenken werden“.
Diese
Hoffnung hat sich nun leider nicht erfüllt. Christian Kirchner wird uns fehlen.
Sehr. In Erinnerung bleiben werden mir (MW) nicht nur seine Arbeiten, sondern
auch seine Persönlichkeit, nicht nur sein scharfer Intellekt, sondern auch seine direkte Hilfsbereitschaft, sein unglaublicher Anekdotenreichtum und sein verschmitzter Humor.
Besonders
Kirchners klare juristische Analyse des Status Quo der Europäischen Verfassung,
sein Herausarbeiten eines konstitutionenökonomischen Dilemmas Europäischer
Integration und sein Vorschlag für ein flexibles Europa hat auch unsere Arbeit
bei Open Europe Berlin inspiriert. Vor
ziemlich genau einem Jahr haben wir (Open Europe Berlin) mit ihm und Charles
Beat Blankart an der Humboldt Universität Berlin eine europapolitische Konferenz veranstaltet.
Hier ist sein Beitrag zur Podiumsdiskussion.
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