Gleich zwei zuständige EU-Kommissare haben sich vor wenigen
Tagen (von den meisten Medien unbemerkt) gegen Verbote privater Unternehmen der
„sharing economy“ wie etwa Uber oder Airbnb ausgesprochen. Die beiden wurden
von uns auch schon als Hoffnungsträger für EU-Reformen vorgestellt (unsere
Steckbriefe aller Kommissare finden Sie hier).
Elzabetha Bienkowska (*1964) ist Kommissarin für
Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU. Sie sagte zu den Verboten von (einigen
Diensten von) Uber in Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien, den
Niederlanden und Italien:
![]() |
EU Kommission |
„es mag ein dummer Vergleich sein, aber es ist wie der Kampf gegen den Buchdruck im Mittelalter … Das ist kein Problem, sondern einfach nur ein neues Geschäftsmodell“.
Jyrki Katainen
(*1971) ist Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für Arbeit, Wachstum,
Investitionen und Wettbewerb. Er fragte sich auch, ob nationale Regulierungen
von Uber noch ins digitale Zeitalter passten und verglich diese mit dem Versuch
von Kutschenbetreibern, Automobile zu verbieten. (Beide Äußerungen in der
Financial Times vom 4.11.2015).
![]() |
EU Kommission |
Die Petition der Kerzenmacher
Das erinnert an Fréderic Bastiat (*1801) und seine Parodie „Petition der
Kerzenmacher“:
„Wir unterliegen der unerträglichen Konkurrenz eines auswärtigen Rivalen, der — wie es aussieht — Licht unter Bedingungen produziert, die den unseren so überlegen sind, dass er unseren nationalen Markt damit zu einem unglaublich niedrigen Preis überschwemmt; denn, sofort wenn er sich zeigt hört unser Verkauf auf, alle Verbraucher wenden sich an ihn, und ein Zweig der französischen Industrie mit seinen unzählbaren Verästelungen steht mit einem Schlag völlig still. Dieser Rivale — die Sonne — liefert uns einen so hartnäckigen Kampf, dass wir den Verdacht haben, dass er von dem perfiden England (schöne Diplomatie heutzutage) gegen uns gehetzt wurde, umso mehr als er bei dieser hochmütigen Insel Rücksichten nimmt, derer er sich bei uns enthält.
Wir fordern, Sie mögen ein Gesetz erlassen, das das Schließen aller Fenster, Bodenluken, Dachfenster, Fensterläden, Läden, Vorhänge, Schiebefenster, Bullaugen, Markisen vorschreibt — mit einem Wort, aller Öffnungen, Löcher, Spalten und Ritzen, durch die das Licht der Sonne üblicherweise in die Häuser dringt, zum Nachteil der schönen Industrien, mit denen wir uns schmeicheln, das Land beschenkt zu haben, das doch undankbar wäre, wenn es uns heute in einem so ungleichen Kampf im Stich lassen wollte“.
![]() |
Bastiat |
Perfide Rivalen
Zugegeben: bei Uber ist die Sache etwas komplizierter als
bei der Sonne. Die Analogie, die einen Teil des protektionistischen Instinkts
der Behörden in Frankreich, Deutschland und anderswo erklären könnte, ist: es
ist ein amerikanisches Unternehmen! Damit ein „auswärtiger Rivale“; und auch noch erfolgreich wie die Sonne in
San Francisco mit einem Börsenwert
von etwa 50 Mrd. Dollar.
Und „perfide“ ist auch: Uber ist nicht gleich Uber – während
Taxi eben Taxi ist, jedenfalls soweit das "Personenbeförderungsgesetz
in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), das
zuletzt durch Artikel 482 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474)
geändert worden ist" gerade einmal das bundesrechtlich Allernötigste für
Fahrer und Gäste, die von A nach B bringen oder gebracht werden wollen, auf 33
Seiten festhält.
Taxis sind nicht immer einfach zu bekommen, wenn man sie
braucht. Uber-Menschen dagegen wären einfach zu bekommen, wenn sich Fahrer und
Kunden einfach online und via App im Netz verabreden. Menschen bieten
etwas an, Menschen fragen etwas nach, Uber bietet etwas an: Vermittlung. Uber verlangt und bekommt freiwillig eine Provision von bis zu 20
Prozent des Fahrpreises - und ist trotzdem meist günstiger als der Taxameter-Preis.
Aber, wie gesagt: Uber ist gleich Uber; es ist auch sonst ziemlich flexibel und
bietet eine Uber-Komplexität für die Regulierer (eine Auswahl):
- UberTaxi (die sieht man auch in Berlin) vermittelt örtlich konzessionierte Taxis. Das ist wohl kein Problem.
- UberX und UberBlack vermitteln Fahrgäste an lizensierte Mietwagenunternehmen und Fahrer mit Personenbeförderungsschein. Das ist trotzdem in vielen Städten verboten. Oder an unsinnige Auflagen gebunden, die potentielle Fahrer abschrecken. Etwa: penible Ortskundeprüfungen (in Zeiten des Navi …) oder die Rückkehrpflicht der Funkmietwagen an den Betriebssitz (im ökologischen Zeitalter).
- UberPop vermittelt private Fahrer mit eigenem Auto. Das finden Regulierer und Taxibetreiber oft ganz schlimm, wenn nicht gar kriminell. Wie kann hier Qualität garantiert werden? Das fragt sich zwar auch manch ein Kunde lizensierter Taxifahrer in Berlin oder Paris gelegentlich. Bei Uber freilich nutzt man die Bewertungen der Kunden statt der Bescheinigung einer Behörde. Wie bei ebay oder Airbnb funktioniert dieser Reputationsmechanismus ganz gut; schlechte Manieren oder Fahrstil führen zu weniger Geschäft – was bei Taxifahrern mit Monopollizenz in engen Märkten sicher weniger der Fall ist.
Uneinigkeit und Recht
und Freiheit
Der Europäische
Gerichtshof muss nun aber entscheiden: ist Uber (und: welches Uber?) eine digitale
„Mobilitätsplattform“ (eine alternative Taxi-App) und damit eher frei, digitale
Dienstleistungen überall in der EU anzubieten? Oder ist Uber ein gewerbliches
Transportunternehmen, das auf nationaler Ebene nach jeweiligen
protektionistischen Regularien behandelt werden darf? Da müssen nun die Juristen übernehmen.
Zurück zum jungen EU-Vizekommissar aus Finnland. Er sagt (mit Verweis auf Uber):
„The sharing economy is a growing economy; it will offer a huge amount of new jobs and investment … We should have a common policy on that“.
Ob das ökonomisch-utilitaristische Argument (mehr Jobs, mehr
Investitionen) stimmt oder nicht, weiß man nicht. Schließlich ist der Witz der
sharing economy ja auch, dass weniger Autos oder Hotels benötigt und weniger
Ressourcen verbraucht werden. Jedenfalls erlaubt Uber mehr freiwillige
Transaktionen und schafft mehr Freiheit. Und hier gilt grundsätzlich:
"Dass der Zweck der Freiheit ist, die Möglichkeit von Entwicklungen zu schaffen, die wir nicht voraussagen können, bedeutet, dass wir nie wissen werden, was wir durch eine Beschränkung der Freiheit verlieren. ... Wenn die Entscheidung zwischen Freiheit und Zwang als eine Zweckmäßigkeitsfrage behandelt wird, die in jedem Einzelfall besonders zu entscheiden ist, wird die Freiheit fast immer den Kürzeren ziehen“ (Hayek 1960, Verfassung der Freiheit, 3. Aufl., Tübingen 1991, S. 14).
Einheitlich (de-)
regulieren?
Es ist gut, dass die beiden EU-Kommissare hier, wie es auch
ihr Job verlangt, für offene Märkte eintreten wollen. Aber heißt das auch: „We should have a common
policy on that“ (Katainen)? Oder: “The situation for now is that in one member
state, the UK for example, they are legal, in others they are illegal. We
have to have one European approach to this kind of companies” (Bienkowska)?
Die Geschichte der EU-geführten Liberalisierung der
Telekommunikationsmärkte in den 1990er Jahren zeigt, dass die EU mit
gemeinsamer Politik durchaus erfolgreicher deregulieren kann als dies die
allermeisten nationalen Regierungen wohl je aus eigenem Antrieb getan hätten.
Hier nur einmal, wie sich die Preise von Auslandsgesprächen
in sieben Jahren nach der EU-"erzwungenen" Liberalisierung entwickelt haben (Quelle: Dewenter / Haucap 2004):
Die Älteren werden sich noch erinnern: vorher gab es (bis
1998) in Deutschland noch einen Bundesminister für Post und Fernmeldewesen, der
für das Staatsmonopol Preise und Konditionen festlegte. Das hat die EU weggeschafft!
Zwar haben weder Jacques Delors noch Jacques Santer (EU-Kommisionspräsidenten 1985-1999)
das Internet oder den Mobilfunk erfunden; sie haben aber nationale Monopole
aufgelöst und damit neuen Technologien und Wettbewerbern Marktzutritt
verschafft. Auch gerade dafür war und ist die EU da!
Das Gleiche kann man jetzt auch für die „sharing economy“
und damit Uber oder Airbnb sagen. Die Kommission denkt viel darüber nach (s.
etwa hier).
Freilich: „one common policy“ oder „one European approach“? Das könnte am Ende auch so aussehen: „One-size-fits-all“!
Man muss sich ja schließlich
EU-weit einigen: die einen wollen (das eine) Uber so regulieren, die anderen (das andere) so. Am Ende könnte
man sich wohl am ehesten darauf einigen, das eine UND das andere so UND so zu regulieren. Und der "europäische Ansatz" wäre dann vielleicht wieder ein Regulierungskartell etwa als EU-weite Kombination von
deutschem Personenbeförderungsgesetz und französischem Pendant und womöglich noch
mehr. Zumal die Kerzenmacher
/ Taxifahrer auch einmal ganz Brüssel in Angst und Schrecken versetzen können. Und dort arbeiten die Gesetzgeber "Europas".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen