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Quelle: EC Audiovisual Service |
Das harte Durchgreifen der Europäischen Kommission gegenüber
den Steuerprivilegien der multinationalen Gesellschaften im vergangenen Monat
könnte Teil eines größeren Machtspiels sein.
Im Oktober 2015
sagte die Wettbewerbskommissarin der Europäischen Union, Margrethe Vestager,
dass die Europäische Kommission entschieden hat, dass zwei bekannte
multinationale Unternehmen – Starbucks und Fiat Chrysler Automobiles – von
ungerechten Steuerprivilegien profitiert haben. Die angeblichen Steuervorteile
rühren von Vereinbarungen zwischen den Unternehmen und den nationalen
Steuerbehörden zu den Verrechnungspreisen, dem ‚Transfer-Pricing’, her.
Wie die EU-Behörden bestätigten, hatten weder Starbucks noch
Fiat Chrysler Automobiles gegen das Gesetz verstoßen: beide Unternehmen hatten
mit ihren Steuerverpflichtungen den Auflagen der lokalen Behörden entsprochen.
Frau Vestager behauptet jedoch, dass die Niederlande und Luxemburg keine
vorteilhaftere steuerliche Behandlung hätten anbieten sollen als andere
EU-Mitglieder. Demzufolge haben Starbucks und Fiat Chrysler Automobiles gemäß
der Argumentationslinie, die von der EU-Kommission verfolgt wird, eine
Rechnungslegungsmethode ausgenutzt, die mit den Finanzämtern in Den Haag und in
Luxemburg vereinbart war. Da sie in den Genuss einer indirekten Subvention
gekommen sind, haben sie sich des unfairen Wettbewerbs schuldig gemacht.
Während diese Ankündigung eine weitere Episode von etwas
markiert, das wie ein sich dahinziehendes Gezänk zwischen der Kommission, den
nationalen Regierungen und den Großkonzernen aussieht (Fiat Chrysler, Starbucks
und die beiden daran beteiligten Regierungen haben bereits heftig reagiert), so
könnte es doch bedeutende und unerwartete Auswirkungen haben.
Bis vor kurzem gab es einen stillschweigenden Konsens
innerhalb der EU über die Respektierung des Prinzips der nationalen
Steuersouveränität, sofern einige minimale gemeinsame Standards erfüllt wurden.
Die aktuelle Entscheidung gegen die Niederlande und
Luxemburg zeigt jedoch, dass sich die Denkweise der Kommission verändert hat.
Derweil die Behörden in Brüssel machtlos sind, wenn es darum geht die
Mitgliedstaaten zu zwingen ihre Steuersysteme zu modifizieren, glauben sie,
dass sie über die Macht verfügen, nationale Regierungen für rechtswidrige
Subventionen wirtschaftlicher Aktivitäten zu belangen, und umgehen damit das
Prinzip der Steuersouveränität.
Die Auffassung der Kommission ist fragwürdig. Eine
Subvention ist eine Form von öffentlicher Ausgabe, die auf einen ausgewählten
Nutznießer abzielt (zum Beispiel Geringverdiener) oder mit speziellen
Aktivitäten verbunden ist (zum Beispiel der Schaffung von Arbeitsplätzen, dem
Export oder für Investitionen in Forschung und Entwicklung). Folglich muss die
Kommission beweisen, dass die Niederlande und Luxemburg Steuervereinbarungen
zugestimmt haben, die ein allgemeines Prinzip der Gleichbehandlung verletzen.
Dieser Verstoß ist nicht offensichtlich. Sicherlich erfüllt die Existenz eines
Steuersystems, das nur relativ geringe Belastungen aufbürdet, sowie von
Vereinbarungen, die Bereiche der Mehrdeutigkeit klarstellen, nicht die
Kriterien der Subvention. Die Initiative der Kommission verdient es demzufolge
sehr sorgfältig überprüft zu werden.
Jahrzehnte heftiger Regulierungsaktivitäten haben ihren
Tribut gefordert: viele große Unternehmen haben ihre Produktionsanlagen fernab
von Europa gebaut oder dorthin verlagert. In Europa wurden nur diejenigen
Operationen beibehalten, die für bürokratische Lasten oder Launen weniger
anfällig sind und die mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Subventionen
erhalten (eher von Seiten der EU, denn von den nationalen Regierungen).
Darüber hinaus hat die Entwicklung der Wirtschaft die Rolle
der Kartellbehörden verringert. In einer globalisierten Welt, die von schneller
Innovation und einem unbarmherzigen Wettbewerb geprägt ist, ist es eine
ergebnislose und vielleicht sogar kontraproduktive Übung über beherrschende
Positionen und den Missbrauch der Marktmacht nachzudenken. Die Notwendigkeit
Technokraten zu haben, die mit der Beurteilung ‚fairer Gewinne’ und ‚optimaler
Unternehmensgrößen betraut sind, wird immer weniger offensichtlich.
Es überrascht daher nicht, dass der regulatorische Apparat
andere Aufgaben finden muss, um zu vermeiden seinen Einfluss zu verlieren und
das Budget gekürzt zu bekommen. Dies legt nahe, dass der jüngste Angriff gegen
die Niederlande und Luxemburg als eine Form von bürokratischem Widerstand
verstanden werden kann, ein Manöver der Wettbewerbsbehörden, um sich selbst
eine neue Rolle in der EU zu erkämpfen.
Professor Enrico Colombatto ist Professor für Ökonomie
an der Universität Turin in Italien. Außerdem ist er Direktor für Forschung
beim Institut de Recherches Économiques et Fiscales (IREF) in Paris und war
Direktor des International Centre for Economic Research (ICER) in Turin und
Prag. Dieser Beitrag erschien heute bei World
Review.
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