Jetzt drückt der Wahlgewinner David Cameron auf die Tube.
Schon im Sommer 2016 möchte er die Briten über den Verbleib in der Europäischen
Union abstimmen lassen. Er will die Gunst der Stunde nutzen und setzt die
Staats- und Regierungschefs und die EU-Kommission unter Druck. Denn seit seiner
viel
beachteten Europa-Rede im Januar 2013 ist nicht viel passiert. Man gewinnt
vielmehr den Eindruck, das restliche EU-Europa wäre froh, wenn die ständig
nörgelnden Briten endlich die „Schicksalsgemeinschaft“
verlassen würden.
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John Pannell @flickr |
Gerade in Deutschland widmet man dem Verbleib Griechenlands
im Euro-Club eine viel größere Aufmerksamkeit als dem Weg des Vereinigten
Königreichs in Europa. Dabei ist die Bedeutung Griechenlands für den Wohlstand
in Deutschland von untergeordneter Bedeutung. Aus Griechenland wurden 2014 nach
Deutschland lediglich 1,73 Milliarden Euro Waren importiert und lediglich knapp
5 Milliarden Euro exportiert. Jedoch exportieren heimische Unternehmen über 76
Milliarden Euro Waren und Dienstleistungen auf die Insel. Für britische
Unternehmen ist Deutschland der wichtigste Handelspartner. Von dort werden für
42 Milliarden Euro Güter und Dienstleistungen nach Deutschland exportiert.
Das scheint EU-Parlamentspräsident Martin Schulz egal zu
sein. Er
hat schon einmal vorgebaut. Nicht infrage komme, dass die Briten vor der
Volksabstimmung Forderungen stellten nach dem Motto: „Sagt uns mal, was ihr uns
gebt, dann sagen wir Euch, ob wir bleiben.“ Unabhängig davon, dass Schulz damit
die bisherige Entscheidungsfindung in der Europäischen Union präzise
beschrieben hat, tut er Cameron in diesem Fall unrecht. Cameron hat in
seiner Rede in Davos 2013 tiefgreifende Reformen angemahnt und eine
Trendumkehr für eine Europa von unten gefordert. Mehr vom Gleichen werde keinen
Vorteil bringen, sondern die ökonomische Misere befördern. Es war ein
leidenschaftliches Plädoyer gegen den Zentralismus in der EU. Die Europäische
Union steckt spätestens seit der Eurokrise in der Sackgasse: Sie ist zu
zentralistisch, wo Non-Zentralismus und ein Systemwettbewerb gefragt wäre. Sie
ist zu willkürlich, wo Rechtsstaatlichkeit notwendig wäre. Und sie ist zu
planwirtschaftlich, wo Marktwirtschaft erforderlich wäre.
Die Antwort der Kommission und des EU-Parlaments sind
Forderungen nach immer neuen Kompetenzen und mehr Macht in Brüssel. Diese
Antwort ist zentralistisch, wenn es um die Steuerbemessungsgrundlagen von
Unternehmen, um die Beaufsichtigung von Banken oder die Sammelwut von
persönlichen Daten geht. Sie ist willkürlich, wenn es um die Auslegung der gemeinsamen
Verträge geht, ob es die Maastricht-Kriterien waren oder ob es der Fiskalpakt
ist: immer wird mindestens ein Auge zugedrückt. Und sie ist planwirtschaftlich,
weil die Kommission und das Parlament glauben, dass Wirtschaftswachstum und
Wohlstand – wie aktuell
durch den Juncker-Plan – durch öffentliche Investitionslenkung erzielt
werden können.
Hinter dieser freiheitszerstörenden Entwicklung steckt der
Glaube an das Primat der Politik. Doch Europa muss dem Primat von Recht und
Freiheit folgen. Großbritannien hat dafür eine Schlüsselrolle in der
Europäischen Union inne. Das Vereinigte Königreich mit seiner
jahrhundertelangen Tradition der Marktwirtschaft, des Freihandels und des
Rechts ist natürlicher Verbündeter eines non-zentristischen Europas. Namen wie
John Locke, Adam Smith, John Stuart Mill und Lord Acton stehen bis heute für
diese große Freiheitstradition. Scheidet Großbritannien aus der
Staatengemeinschaft aus, verschiebt sich das Koordinatenkreuz in der
Europäischen Union zum Unguten. Die Zentralisten, Planer und Umverteiler würde
in einer EU der dann 27 noch mehr Überhand gewinnen. Die Gewichte würden sich
noch stärker, noch schneller und noch unumkehrbarer in Richtung Südeuropa
verschieben.
Die wichtige Rolle Großbritanniens für die Europäische Union
zeigte sich vor zwei Jahren bei den Verhandlungen über den Finanzrahmen der
Europäischen Union. Damals wollte Cameron die Mittel für die EU radikal kürzen.
Kommission, Südländer und EU-Parlament wollten dagegen die Mittel massiv
erhöhen. Es war die vermittelnde Seite Deutschlands, die ein Einfrieren des
EU-Haushaltes erreichen konnte. Dies wäre ohne die radikale Position der Briten
nie gelungen. Scheidet Großbritannien aus, dann hält kein Damm mehr.
Die Europäische Union braucht jetzt eine offene Diskussion
über ihre weitere Entwicklung, die bereits vor dem Referendum in Großbritannien
geführt werden muss. Die Antwort auf ein Europa des Zentralismus, der Willkür
und der Planwirtschaft muss eine Europa von Recht und Freiheit sein, das einen
Wettbewerb der Regionen und Staaten zulässt und die Marktwirtschaft als
tragende Gesellschaftsordnung manifestiert. In diesem Europa sollen tausend
Blumen blühen.
Frank Schäffler war von 2005 bis 2013 Mitglied des
Deutschen Bundestages. Jetzt leitet er gemeinsam mit Clemens Schneider die
Denkfabrik Prometheus-das
Freiheitsinstitut, dort erschein auch dieser Beitrag.
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