Die
Ereignisse um Griechenland überschlagen sich. Am 28. Februar endet offiziell
das griechische Hilfsprogramm, und eine Verlängerung wurde noch nicht
beschlossen. Die Zeit drängt, da in mehreren
europäischen Parlamenten eine Abstimmung für ein weiteres Rettungspaket
erfolgen muss.
Bereits diesen März werden erste Rückzahlungen an den IWF fällig.
Was ist die in den
letzten Tagen und Stunden passiert?
+++Griechenland und
EU-Währungskommissar Moscovici vor Übereinunft+++Athen beendet Verhandlungen+++EZB erhöt das Volumen der
„Notkredite“ für griechische Banken auf 68,3 Mrd. Euro+++Griechenland beantragt
Kredit-Verlängerung+++Deutschland lehnt Antrag erneut ab+++Griechenland geht nicht auf
Deutschland ein+++EU-Sondergipfel falls Gespräche am
Freitag scheitern sollten+++
Wie geht es nun weiter?
Trotz
fehlender politischer Einigung zwischen Athen und Brüssel konnte Griechenland
den ersten „Matchball“ am Mittwoch gerade noch abwehren. Aufgrund der
anhaltenden Kapitalflucht geht griechischen Banken allmählich das Geld aus. Bei
einem möglichen ‚GREXIT‘ würden aber auch die Notfallkredite (ELA) enden, da
diese an die Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates geknüpft sind. Griechenland
braucht daher eine politische Lösung und kann sich nicht alleine auf die EZB
verlassen.
Am
Donnerstagmorgen schien die politische Lösung noch greifbar zu sein. Doch
schnell folgte das Veto aus Berlin. Demnach sei die Gefahr groß, dass
Griechenland nur eine Brückenfinanzierung wollte. Auch die Ankündigung, auf
Einnahmen von Steuersündern im Umfang von 60 Mrd. Euro zu verzichten, erschwert
eine Annäherung mit der Eurogruppe und stärkt die Kritiker weiterer finanzieller
Hilfen. Zudem ist für die deutsche Seite auch mit dem Abweichen von den
vereinbarten Zielen beim Primärüberschuss eine rote Linie überschritten worden,
falls Griechenland den Anschein erweckt, die Struktur- in eine Konjunkturkrise
umzudeuten.
Der Vorschlag wurde als ‚Trojanisches Pferd‘ gesehen, das der
Tsipras-Regierung nur mehr Zeit für politische Zugeständnisse einräumen sollte.
Der deutschen Seite fehlte einerseits die prinzipielle Bereitschaft an den
Reformen festzuhalten, die zu einer Verkleinerung des Staatssektors, weniger
fiskalischen Aufgaben führen sollte und andererseits die Bereitschaft, die Kredite
vollumfänglich zurückzuzahlen.
Gibt es noch Chancen auf
eine Einigung?
Auch
wenn die Fronten momentan verhärtet scheinen, gibt es grundsätzlich
Überschneidungen zwischen Athen und der Eurogruppe Beispielsweise bei der
Korruptionsbekämpfung, Steuerreformen, Steuereintreibung, effizientere Nutzung
öffentlicher Gelder und Verbesserung des wirtschaftlichen Klimas verfolgen beide Seiten die gleichen Ziele.
Jedoch
scheint Syriza die Deregulierungsmaßnahmen der ‚Institutionen‘ (ehemals Troika)
wieder rückgängig machen zu wollen und auch bei den Pensionszahlungen wieder
ausgabenfreudiger zu werden. Obwohl Griechenland bei den Ausgaben (im
Verhältnis zum Sozialprodukt) noch ‚europäischer Spitzenreiter‘ ist.
Quelle:
http://openeurope.org.uk/blog/what-deal-could-be-struck-to-keep-greece-in-the-eurozone/
Ebenfalls
will Griechenland die Privatisierungsmaßnahmen stoppen. Aktuelles Beispiel ist
der Eingriff bei den Privatisierungsplänen
des griechischen Containerhafens von Pyräus. Obwohl die Eurogruppe hier Gesprächsbereitschaft zeigt,
darf die grundsätzliche Bereitschaft den Schuldenabbau voranzutreiben, nicht
geändert werden. Zumal die Eurogruppe grundsätzlich bereit ist, beim
Schuldendienst etwas flexibler zu sein.
Ob
Griechenland von weiteren Zugeständnissen beim Schuldendienst überhaupt noch
profitieren könnte, ist freilich ungewiss. Bereits am Mittwoch gingen wir bei
Open Europe näher auf Griechenlands effektiven Schuldendienst ein. Demnach ist der von Griechenland zu
erbringende Schuldendienst sogar geringer als der von Portugal oder Italien.
Obwohl Griechenland eine hohe Staatsverschuldung hat, sind die meisten Schulden
bei europäischen Institutionen angesiedelt, die auf einen Großteil der Zinsen
(noch) verzichten. Somit können Zugeständnisse für Griechenland nur bedingt
gemacht werden, will man nicht riskieren, dass sonst auch andere
‚Wackelkandidaten‘ in der Eurozone die Freude am ‚Feilschen‘ von Auflagen
gewinnen.
Wird bzw. muss
Griechenland die Eurozone verlassen?
Die
Frage scheint momentan nur durch Schäuble und Varoufakis geklärt werden zu
können. Momentan, so hat man den Eindruck, wird „Good Cop versus Bad Cop“ gespielt. Auf der einen Seite steht
der motorradfahrende, stilbewusste, bereits in seinem Heimatland als Superstar
verschriene Varoufakis. Auf der anderen Seite befindet sich der klischeehafte
„Law-And-Order“ mahnende bieder wirkende Jurist aus Deutschland. Hier prallen
zwei Welten aufeinander, deren Unterschiede kaum größer sein könnten. Waren am
Mittwoch noch die Unterstützer der ‚deutschen Seite‘ klar in der Überzahl, so
scheinen sich die Reihen hinter Schäuble langsam zu lichten.
Absehbar
war das Aufkommen von Kritik seitens der deutschen Linken und
Grünen. Neu ist
jedoch, dass auch leise Töne der Kritik aus
den Reihen des Koalitionspartners zu vernehmen sind. Dagegen ist die Kritik der
SPD-Abgeordneten im Europarlament schon deutlicher. Der Vorsitzende der
Sozialdemokraten im EU-Parlament forderte gar Schäuble auf, die Lösungen
nicht weiter zu blockieren.
Die von vielen Beobachtern gedeutete Fehde zwischen Schäuble und Varoufakis
scheint allmählich zu einer ideologischen Debatte zu werden und nicht nur
Europa, sondern auch Deutschland zu spalten.
Quelle:
http://www.heise.de/tp/artikel/44/44120/44120_2.jpg
Hier
das ‚alte Europa‘ der kühlen „unsolidarischen“ Austeritätspolitik(er),
verkörpert durch betagte Politiker wie
Juncker und Schäuble. Dort, das moderne, junge (grüne?) und ausgabenfreudige
Europa, das die Eurokrise als konjunkturelle Rezession aufgreift, die mit
Infrastrukturinvestitionen überwunden werden soll. Ein Blick nach Frankreich (Valls) und nach Italien (Renzi)
zeigt, in welche Richtung Europa sich die nächsten Jahre politisch entwickeln
könnte.
Kurzfristig
könnte das „Chicken-Game“ zwischen Varoufakis und Schäuble in
einem Crash enden, und die Vermutung liegt nahe, dass man in Berliner Kreisen
Griechenland als insolvent ansieht. Auch will man vermeiden, dem Bundestag ein
weiteres Hilfsprogramm anzudienen. Berlin möchte das unter allen Umständen vermeiden,
um nicht innenpolitisch geschädigt zu werden. Zumal auch innerhalb der CDU
aufgrund der jüngsten Landtagswahlergebnisse etwas Unruhe aufkommt.
Die
Wahrscheinlichkeit eines ‚GREXIT‘ dürfte sich somit momentan in ähnlicher Höhe
befinden wie beim Gipfel der ‚Eurokrise‘ 2012. Die jüngste Commerzbank-Prognose
beziffert die Wahrscheinlich eines ‚GREXIT‘ auf 50 Prozent.
Marcel Janes ist
Masterstudent im Studiengang ‚Internationale Wirtschaft & Governance‘ an
der Universität Bayreuth und Praktikant bei Open Europe Berlin.
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