Wie schon vor den Bundestagswahlen analysiert Open Europe Berlin die
Wahlprogramme verschiedener deutscher Parteien – diesmal im Hinblick auf die
Wahlen zum EU-Parlament (EP) Ende Mai diesen Jahres. Dabei geben wir
Informationen, keine Wahlempfehlungen. Besonders interessiert uns, welche
Grundüberzeugungen die Parteien vertreten, welche Lösungsvorschläge für die
Euro-/Staatsschuldenkrise unterbreitet werden, ob und wie die
Entscheidungsverfahren innerhalb der EU reformiert werden sollen und welche
Positionen sonst von den jeweiligen Parteien besonders betont werden.
„Das braucht unser Europa!“ heißt das EU-Wahlprogramm der FDP, das schon
am 19. Jaunar 2014 beschlossen wurde (hier). Auf 24 Seiten findet sich Einiges, was „Europa“ braucht und „Europa“
geleistet hat. Als „überzeugte Europapartei“ (S. 2) spricht die FDP auch fast
nur von „Europa“, auch wenn konkret die EU gemeint ist. Europa klingt offenbar
besser als EU: „Europa ist ein großartiges Projekt, das für Frieden, Freiheit
und Wohlstand steht“; „Wer mehr Europa will, der muss Europa zuerst besser
machen“ (S.2). „Europa ist unsere Zukunft! (S. 3). Gut, aber was braucht „unser
Europa“?
Ideale
„Weniger
Bürokratie, mehr Bürgernähe und mehr Transparenz“ … „Mehr Tatkraft, mehr
Marktwirtschaft, mehr Chancen und mehr Wohlstand für mehr Menschen“ … Mehr
Freiheit, mehr Bürgerrechte und mehr Vielfalt“ … „Mehr Ehrlichkeit und mehr
Verantwortung“: „das braucht unser Europa!“ (S. 2). Auch gut: aber braucht es auch
„mehr Konkretes“? Etwas, das die real-existierende EU oder noch enger: die
Euro-Zone brauchen könnte? Auch das findet sich im Programm der FDP.
Euro-Rettung
Bei diesem
Thema überrascht die FDP wohl auch einige ihrer potenziellen Wähler mit dem
Eingangssatz: „Der Euro ist längst ein Symbol der europäischen Einigung und
Solidarität geworden“ (S. 11). Gleichzeitig äußert sich die FDP aber auch
indirekt skeptisch, wenn sie mahnt: „Die Währungsunion kann nur als
Stabilitätsunion dauerhaft bestehen“ (S. 11) und später die „Möglichkeit einer
Staateninsolvenz innerhalb der Eurozone“ ebenso schaffen will wie die
Möglichkeit für Staaten, aus der Eurozone auszutreten (S. 13).
Konkret ist
man gegen einen Altschuldentilgungsfonds und Eurobonds (S. 12). Wie bei SPD und
CDU steht damit auch die FDP als deutsche Partei gegen die Meinung ihres
EU-weiten „Spitzenkandidaten“ für das EP. Der liberale Kandidat GuyVerhofstadt ist ein leidenschaftlicher Anhänger von Eurobonds.
Die FDP
dagegen hält fest: „unterschiedliche Finanzierungsspielräume und Zinssätze sind
das Preissignal für die unterschiedliche Einschätzung der Bonität und
Wettbewerbsfähigkeit der Institutionen und Staaten, die Anleihen auf dem Markt
platzieren. Dieses Preissignal darf nicht künstlich eingeebnet werden.“ (S.
11). Auch wird die Staatsfinanzierung aus der Notenpresse der EZB abgelehnt;
Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt sollen zu automatisierten
Sanktionen (etwa: Blockierung von Unterstützungsgeldern) führen; und die
No-Bail-Out-Klausel soll „wieder vollständig etabliert“ werden (S. 12). ESM-Hilfen
sollen zeitlich und in der Höhe begrenzt und nur gegen strikte Auflagen gewährt
werden.
Als
„Ausgleich für die fehlende Möglichkeit für Abwertungen von Währungen“ im
Euroraum wird Steuerwettbewerb empfohlen; aber auch eine Harmonisierung
steuerlicher Bemessungsgrundlagen (S. 13f). Die Bankenunion mit ihrer
„Gläubigerkaskade“ wird begrüßt; die einheitliche Eigenlagensicherung
abgelehnt.
Um wirklich
eines Tages als „Symbol der europäischen Einigung“ in die Geschichte
einzugehen, muss für den Euro also doch noch Einiges getan (oder unterlassen) werden.
EU-Governance
Hierzu
findet sich bei der FDP Vieles schon ganz zu Beginn – und deutlich mehr als
etwa bei CDU oder CSU. Und aus staatsphilosophischer Sicht sogar Radikales:
„Wir sind davon überzeugt, dass Europa langfristig auf der Grundlage einer
gemeinsamen Verfassung ein föderaler Bundesstaat werden sollte“ (S. 3). „Wir
wollen die europäische Einigung vertiefen und eine politische Union schaffen“
(S. 4). Hier ist sich die FDP wieder ganz nahe an ihrem Spitzenkandidaten
Verhofstadt, der noch lieber die „Vereinigten Staaten von Europa“ schaffen will.
Andere
Teile des Programms wiederum sind nahe an dem liberalen Europapolitiker Lord Dahrendorf, etwa die Losung „Einheit in
Vielfalt statt Gleichmacherei“ (S. 4) und der Wunsch nach „Möglichkeiten für
unterschiedliche Tiefen und Geschwindigkeiten bei der Integration“; sogar die
„Rückübertragung von Zuständigkeiten“ sei „vorstellbar“ (S. 5).
Die
Liberalen (in der FDP Programmkommission) wollen Beides und haben eine Vision:
„Am Ende dieser Entwicklung sollte ein demokratisch legitimierter, föderaler,
subsidiärer und dezentraler Bundesstaat stehen, über den die Bürgerinnen und
Bürger in einer europaweiten Volksabstimmung entscheiden. Voraussetzung für
diesen Bundesstaat ist ein gemeinsame europäische Verfassung“ (S. 5). Deshalb
soll auch gleich nach der Wahl im Mai ein Verfassungskonvent unter Einbezug von
„Vertretern der Zivilgesellschaften“ einberufen werden, um eine „zügige
Fortschreibung der Verträge“ (S. 3) voranzutreiben.
„Langfristig“
und doch „zügig“, „Bundesstaat“ und doch „Rücksichtnahme auf besondere
nationale Gegebenheiten“ (S. 5) oder gar „Rückübertragung von Hoheitsrechten“
(S.6) – da hätte der Konvent, selbst wenn er nur FDP-Mitglieder vereinigte,
einige Widersprüche zu klären.
Und wenn am
Ende eine „europaweite Volksabstimmung“ (S. 5) über einen europäischen Bundesstaat
abstimmen soll: ist damit gemeint, dass am Ende die „EU-Volksmehrheit“
entscheidet? Schließlich sieht die FDP auch, dass in Deutschland „die
Integrationsfähigkeit des Grundgesetzes in vielen Fällen ausgereizt“ ist und
deshalb „substantielle Hoheitsübertragungen künftig nur mit Volksabstimmungen“
– in Deutschland – möglich sein sollen (S. 5).
Zum
Bundesstaat gehört, am Ende, auch ein
„echtes Vollparlament mit eigenem Initiativrecht“. Und: „dazu gehört, dass jede
Stimme der Bürgerinnen und Bürger Europas gleich viel zählt“ und „die europäischen
Parteien mit staatenübergreifenden Listen und Spitzenkandidaten antreten
können“ (S. 6). Und: „der Europäische Rat wird abgeschafft, damit die Staats –
und Regierungschefs nicht durch die Hintertür nationale Interessen an Rat und
Parlament vorbei durchsetzen“ (S. 6). Der (Minister-) Rat soll zu einer zweiten
Kammer, einem Senat (oder einer Art Bundesrat) weiterentwickelt werden und
öffentlich debattieren (ebd.). Schließlich könnte eine dritte Kammer dazu
kommen – mit dem Ausschuss der Regionen als „Subsidiaritätskammer“ (S. 8).
Wieder
klingt das ziemlich gut im Sinne eines entfernten Ideals „demokratisch
legitimierter, föderaler, subsidiärer und dezentraler Bundesstaat“.
Staatenübergreifende Listen halte ich persönlich auch für eine gute Idee (oft
finde ich ein EU-Parteiprogramm aus einem anderen Land besser als andere in
Deutschland). Aber das bisher geltende Prinzip der „degressiven Repräsentation“
zugunsten einer wahrhaft bundesstaatlich-demokratischen Regel der gleichen
Erfolgswertwahrscheinlichkeit zu ändern, dürfte in fast allen Ländern (außer in
Deutschland) auf (berechtigte) Ablehnung stoßen. Um nach dem Prinzip
„one-man-one vote“ noch Abgeordnete verschiedener Parteien aus Malta oder
Luxemburg nach Brüssel schicken zu können, müsste man EP-Sitzungen bald in
Sportstadien austragen – oder aber diese Länder in einer „politischen Union“ –
zumindest im „echten Vollparlament“ ziemlich untergehen lassen.
Weniger
heikel und „visionär“ sind Vorschläge der FDP, die demokratische Kontrolle
durch nationale Parlamente zu stärken und etwa der vorbeugenden
Subsidiaritätskontrolle weniger Hürden in den Weg zu stellen (S. 7).
Sonstiges
Die FDP
sieht sich auch in der EU als Bürgerrechtspartei und will deshalb u.a., dass
die EU-„Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung abgeschafft wird“ (S. 10). Die
FDP fordert auch Einiges als Mittelstandspartei, etwa eine Reduzierung der
Regulierungskosten für kleine und mittelständische Unternehmern (S. 16). Auch
als Partei der Marktwirtschaft ist die FDP in ihrem Programm präsent, etwa mit
der Unterstützung von Freihandelsabkommen mit den USA, aber auch mit den am
wenigsten entwickelten Ländern Afrikas (S. 19). Liberal-marktwirtschaftlich ist
auch die Forderung nach einer Vollendung des EU-Binnenmarkts in den Bereichen
Energie, Verkehr und Digitales (von Dienstleistungen ist dagegen nicht explizit
die Rede).
Fazit
Liberale
haben vielleicht mehr als Andere eine Präferenz für Vielfalt und
Verschiedenheit. Das Europaprogramm der FDP bietet davon Einiges – möglicherweise
aber auch zu viel. Das Bekenntnis zu Marktwirtschaft, Ordnungspolitik und
Freihandel ist noch recht klar. Die Ausführungen zum Euro sind schon etwas
weniger konsistent. Und im Institutionellen treffen Genscherismus und
Dahrendorf’sche Skepsis recht deutlich gegeneinander. Was „braucht unser
Europa“ (also: die EU) – einen Bundesstaat oder den Wettbewerb der
Sozialmodelle?
Vielleicht
können wir auch diese Fragen morgen Abend bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der FDP, CDU, SPD,
Linke, Grüne, AfD klären? Seien Sie dabei (Anmeldung unter
info@openeuropeberlin.de)!
Just went quickly through it. Tbo the party looks like a zombie on which one should not waist much time.
AntwortenLöschenIt doesnot have like nearly all the other real European policies it has national policies (outdated ones) of which is being an EU and Euro member are two.
It does present them however as mainly European policies. Which is contra productive as Europe is hardly popular.
The programm looks to be also made by the EPs so is EU positive where its voterbase probably isnot. Same as nearly all traditional parties btw (a standard mistake). Especially in this phase this should have been different, the longer it takes to get back on the map the more difficult it will get.
Main problem is this election could have been used as a comeback and that opportunity (in the tradition of the party) is simply waisted.
No appealing candidate/no programm that will appeal to most of the potential voters/EU positve where EU critical is demanded. So basically a disaster of a campaign.
Might have been saved by something wild (providing it fits in a fresh sort of image) simply isnot. Boring, boring, boring and making the wrong noise on top of that.
The FDP is clearly on the way down and you donot see any indication that this trend will break.
And next general election will be a more difficult fight (as there will be even less media attention).
Summary looks like a zombie and one to get a silver bullet not far from now.