Die Frage war:
„Deutschland und andere Nettobeitragszahler zum EU-Haushalt wollen den
von Ihnen verwalteten Geldtopf für Regional- und Kohäsionspolitik in der
Finanzperiode 2014 bis 2020 verkleinern. Warum wehren Sie sich dagegen?“
Hahn: „Ja, es gibt die
Forderung zu kürzen, aber eigentlich keine substantielle Debatte darüber, in
welchen Bereichen und weshalb“.
Das ist schade, denn eine substantielle Debatte täte
Europa gut – auch und gerade, wenn es um die europäischen Struktur- und
Kohäsionsfonds geht, die mit 35,8% den zweitgrößten Einzelposten im EU-Haushalt
2012 bilden (nach den Agrarausgaben mit 42,3%).
Im selben Interview verteidigt der Kommissar die
Strukturfonds mit dem bemerkenswerten Argument:
„Man muss wissen, dass 95 Prozent der Strukturfondsmittel wieder in die
Mitgliedstaaten zurückfließen“.
Das ist gut zu wissen: Es gehen also auf dem Umweg über
Brüssel „nur“ 5% verloren. Es kommt aber noch besser. Die heute erschienene
Studie von Open Europe Berlin zeigt, dass gerade in den reicheren Ländern Strukturfondsmittel innerhalb derselben
Region „umverteilt“ werden, also ein Geldkreislauf von der rechten in die linke
Tasche stattfindet, der gar nichts bringt – außer Verwaltungsaufwand in Brüssel.
Das zeigen die roten Balken in der folgenden Grafik:
Für Deutschland heißt das: Subventionen an andere
EU-Mitgliedsländer machen 61% des gesamten Flusses von Strukturfördermitteln
aus. Das ist nicht überraschend, da Deutschland mit 42 Mrd Euro (für die Finanzperiode
2007-2013) ein gewichtiger Nettozahler ist. Von den Geldern, die nach
Deutschland fließen, werden nur 10% tatsächlich zur Verteilung zwischen den
Regionen verwendet. Ganze 29% dienen der intra-regionalen Umverteilung. In
diesem Umfang finanzieren die örtlichen Steuerzahler ihre eigene Region,
allerdings auf dem kostspieligen Umweg über die EU.
Spanien, Nettoempfänger innerhalb der
Budgetperiode, erhält überraschenderweise nur 8% der Strukturfondsgelder aus
anderen EU-Ländern. 54% der Gelder, die einer bestimmten spanischen Region
zugute kommen, stammen aus derselben Region.
Sogar in Griechenland, ein eindeutiger
Nettoempfänger des EU-Budgets, ist das Bild sehr merkwürdig: 60% der
Strukturfondsgelder stammen aus anderen Mitgliedsländern, 40% der Gelder werden
allerdings intra-regional umverteilt.
Diese Befunde (und viel mehr)
stützen unsere Forderung, die Strukturförderung auf die armen EU-Mitgliedsländer
zu begrenzen. Das würde echte Veränderungen statt eines bloßen
Geldkreislaufmechanismus‘ von der rechten Tasche in die linke Tasche mit sich
bringen. Insgesamt könnten die EU-Strukturfondsmittel um etwa 15% gekürzt
werden; sie würden zudem zielgenauer eingesetzt werden und ließen Gelder in den
Ländern, um dort gemäß dem Subsidiaritätsprinzip Regionen bürgernah und
demokratisch kontrollierbar zu fördern.
Unsere Studie zeigt, dass eine Beschränkung der Fonds auf EU-Mitgliedsländer mit einem
Einkommensniveau von 90% des EU-Durchschnitts oder weniger für nahezu alle
Beteiligten vorteilhaft sein könnte. Dies würde die Verwaltung der Fonds
vereinfachen und eine Anpassung an die Bedürfnisse der ärmsten Regionen in der
EU bewirken. Nach unseren Berechnungen würden 22 bzw. 23 der 27 Mitgliedsländer
weniger in das EU-Budget einzahlen bzw. mehr erhalten, da die Mittel nicht
länger zwischen wohlhabenden Mitgliedsländern umverteilt werden. Diese Option
könnte daher eine solide politische Unterstützung in vielen Ländern erhalten.
Zu den wenigen Verlierern könnte freilich ausgerechnet das gebeutelte
Griechenland gehören.
Doch
sollte man sich für Griechenland wohl etwas anderes ausdenken als die Zuweisungen
aus den Strukturfonds, die Griechenland oft genug gar nicht abrufen kann, weil
es an soliden Projekten und der Möglichkeit der Ko-Finanzierung mangelt.
Griechenland
wäre auch ein guter Grund, eine substantielle Debatte über die Sinnhaftigkeit
der Strukturfonds zu führen, wenn diese der Strukturerhaltung und nicht dem
Strukturwandel dienen. Man lese etwa das Interview mit Michalis Chrysochoidis, dem ehemaligen
sozialistischen Wirtschaftsminister Griechenlands:
„Während wir mit der einen Hand das
Geld der EU nahmen, haben wir nicht mit der anderen Hand in neue und wettbewerbsfähige
Technologien investiert. Alles ging in den Konsum. Das Ergebnis war, dass jene,
die etwas produzierten, ihre Betriebe schlossen und Importfirmen gründeten,
weil sich damit mehr verdienen ließ. Das ist das eigentliche Desaster dieses
Landes“.
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